Der Wettbewerb auf dem
Rekrutierungsmarkt verschärft sich zunehmend. Viele Arbeitgeber umwerben die wenigen herausragenden Talente mit immer größerem Aufwand. Doch eine Garantie dafür, dass die potenziellen Kandidaten die
Vertragsangebote annehmen und den Firmen ihre Leistung zur Verfügung stellen, bekommen die Rekrutierungsexperten damit nicht.
Im Gegenteil: guten Kandidaten liegen in der heutigen Zeit bei der
Arbeitgebersuche mindestens drei bis fünf Angebote vor. Der Rekrutierungstrend hin zu Hochschulabsolventen-Messen und Rekrutierungs-Events verstärkt dieses Phänomen zusätzlich: talentierte Nachwuchskräfte
nehmen i.d.R. von einer dieser Veranstaltungen mehrere Vertragsangebote mit.
Dies führt dazu, dass Rekrutierungsmanager über steigende Absagequoten durch Bewerber nach Vertragsangebot klagen.
Dass der Wettbewerb härter und aggressiver geworden ist, beweist auch die steigende Absagenquote nach Vertragsannahme. Bewerber schrecken heute nicht mehr davor zurück, mehrere Vertragsangebote gleichzeitig
zu unterschreiben oder nach Vertragsannahme noch kurzfristig zurückzutreten. In der Rekrutierung spricht man in diesem Zusammenhang vom „verschossenen Elfmeter“.
Hintergrund
In den
vergangenen Jahren hat sich die Informationspolitik der Unternehmen in Sachen Human Resources deutlich verbessert. Über das Internet werden heute von sehr vielen Unternehmen alle notwendigen Informationen
zur Unternehmenskultur, Arbeitsweise und Karrierechancen transparent dargestellt.
Eine Vielzahl von Personalberatungen führt regelmäßig Studien zur Mitarbeitervergütung durch und
veröffentlichen ihre Ergebnisse in allen Medien.
Beide Entwicklungen haben dazu geführt, dass sich Vergütungsstrukturen und Karrierechancen zunehmend angeglichen haben.
Zusätzlich kommt es im Branchenwettbewerb zur Ausweitung der Produkt- und Dienstleistungspalette. Unternehmensberatungen z.B. bieten gerne alle Branchenschwerpunkte, alle Beratungsschwerpunkte, von der
Strategie bis zur Implementierung national wie international an. Für den Bewerber wird die Arbeitgeberentscheidung somit schwieriger: die Unternehmen verlieren ihre einzigartige Positionierung und
Vertragskonditionen unterschiedlicher Unternehmen sind fast identisch. Der gute Bewerber hat am Ende seiner Bewerbungsaktivitäten mehrere gleichwertige Angebote vorliegen. Die Entscheidung wird dann meist
aufgrund emotionaler Beweggründe getroffen.
Die meisten Rekruiter sehen die Personalgewinnungsaktivitäten mit der Versendung/Übergabe des Vertragsangebotes als abgeschlossen an. Gerade hier
liegt der Fehler: mit einem vergleichsweise geringen zusätzlichen Aufwand können die identifizierten Kandidaten bis zur Vertragsunterzeichnung begleitet werden. Um eine spätere Absage des Kandidaten zu
vermeiden, erscheint darüber hinaus sinnvoll, die Zeitspanne bis zur Integration des neuen Mitarbeiters auszudehnen.
Das Personalmanagement greift in diesem Fall auf zwei altbewährte Marketing-
und Vertriebskonzepte zurück: durch Key-Account-Management wird die Kundenbindung durch einen persönlichen Ansprechpartner mit besonderen Dienstleistungen aufgebaut. Im Rahmen von After-Sales-Services nach
Vertragsannahme wird nach Kaufentscheidung dem Kunden noch einmal suggeriert, die richtige Wahl getroffen zu haben.
Entscheidungshilfe bis Vertragsannahme
Wichtigster Bestandteil ist
die Bereitstellung eines persönlichen Ansprechpartners während der gesamten Phase von Vertragsangebot bis Einstieg. Der Bewerber fühlt sich nach der anfänglichen intensiven Umwerbung und der Vielzahl von
Kontaktpartnern bei der Entscheidung allein gelassen. Ziel der Aktivitäten in dieser Phase ist es, durch zusätzliche Dienstleistungen dem Bewerber die Entscheidung zu erleichtern. Dabei sollte der
Key-Account-Manager aktiv auf den Bewerber zugehen. Oft reicht ein Anruf oder eine Einladung zu einem weiteren Informationsgespräch, um letzte, noch offene Fragen zu klären.
Die Gruppe Deutsche
Börse bietet im Einzelfall auch „Schnuppertage“ an, in denen ein Arbeitstag in der zukünftigen Abteilung verbracht werden kann. Hier können Aufgabengebiet, Unternehmenskultur und zukünftige Kollegen kennen
gelernt werden. Auch sollten marginale Nachbesserung in der Vertragskonditionen kein Tabuthema sein – bei den anwachsenden Rekrutierungskosten macht es heutzutage keinen Sinn, einen guten Kandidaten aufgrund
einer starren Haltung in Einkommensfragen zu verlieren.
Dabei sollte der Ansprechpartner nicht zu aggressiv vorgehen. Der Bewerber sollte sich umworben, jedoch nicht bedrängt fühlen.
After Sales Services bis Arbeitsbeginn
Zwischen Vertragsannahme und Eintritt in das Unternehmen können im Extremfall bis zu neun Monate vergehen. In diesem Zeitraum kann viel passieren! Im
Rahmen der After Sales Services soll die entstandene Bindung zum Kandidaten gefestigt und ausgebaut werden. Der persönliche Ansprechpartner muss in dieser Phase weiterhin mit Informations- und
Organisationsdienstleistungen zur Verfügung stehen.
Die regelmäßige Zusendung der Mitarbeiterzeitschrift und/oder von Presse-Clippings kann gewährleisten, dass der Kandidat über die aktuellen
Geschehnisse unterrichtet ist. Darüber hinaus kann die Einladung zu Abteilungs- und Firmen-Events dazu genutzt werden, zukünftige Kollegen frühzeitig kennen zu lernen. Auch können in dieser Phase Relocation
Services (i.S.v. Hilfe bei Formalitäten, Behördengängen, Wohnungssuche) den zukünftigen Mitarbeitern den Einstieg in das Unternehmen erheblich erleichtern.
Durch diese Aktivitäten kann auch die Einarbeitungszeit des Mitarbeiters effizienter und kürzer gestaltet werden
After Sales Services nach Arbeitsbeginn
Die Rolle des
zentralen Ansprechpartners sollte hier ein Tutor/Mentor übernehmen, der den Mitarbeiter bei den Einführungs- und Integrationsaktivitäten unterstützt. Das Tutorenkonzept sollte von effizienten
Integrationsmaßnahmen begleitet werden.
Erfahrungen der Gruppe Deutsche Börse
Die Gruppe Deutsche Börse hat das Key-Account-Management seit Anfang 1999 eingeführt und hat seitdem
sehr positive Erfahrungen gemacht. Die Quote der Absagen nach Vertragsangebot und annahme konnten jeweils um 75% gesenkt werden. Die Kosten pro Einstellung konnten somit erheblich verringert werden.
Darüber hinaus hat die Gruppe Deutsche Börse durch die weitergehende Interaktion mit dem Bewerber konstruktives Feedback erhalten. Infolgedessen konnten einige Elemente im Rekrutierungsprozess
optimiert werden. Der persönliche Kontakt während des Auswahlprozesses bis hin zum Arbeitsbeginn wird in Mitarbeiterbefragungen als einer der herausragenden komparativen Konkurrenzvorteile (KKV) in der
Arbeitgeberentscheidung genannt.